Gerade können wir nicht so oft auf Impedition in die Unternehmen, wie wir das gerne hätten: So richtig in die Unternehmensgebäude, uns unter die Menschen im Unternehmen mischen. Dass uns das fehlt, habe ich letztens mal wieder gemerkt, als Mike vom Bäcker kam und dort offensichtlich eine Unternehmensanalyse vorgenommen hatte.
Das darf ich nicht
Es gab gerade ein neues Angebot: „Vier Brötchen – 1,- Euro“, hieß es. Mike wollte drei Brötchen kaufen. Der Preis? 1,05 Euro. Er sagte der Verkäuferin, er würde gerne das Angebot nehmen, aber mit einem Brötchen weniger, um es nicht später wegschmeißen zu müssen. Aber … – ihr vermutet es vielleicht schon: „Nein, das geht nicht. Dann hab’ ich nachher ein Brötchen zu viel. Das darf ich nicht.“
Diese störrische Regel-Vernarrtheit katapultiert mich gedanklich gleich wieder in viele der Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten. Denn auch dort finden wir oft einen ganzen Haufen Vorgaben und Regularien – die auch den vernünftigsten Menschen den gesunden Menschenverstand rauben können:
„So geht das nicht.“ „Das ist verboten.“ „So haben wir das schon immer gemacht.“ „Das ist gesetzt.“ „Daran wird nicht gerüttelt.“ „So haben wir das noch nie gemacht.“
Menschenverstand im Unternehmen? Abgestellt!
Wenn wir in Unternehmen unterwegs sind und bei Besprechungen mit am Tisch sitzen, horchen wir auf, wenn wir solche Ausdrücke hören. Wenn es dann daran geht, kreative Problemlösungen zu finden für Abläufe im Unternehmen, in denen etwas hakt: dann kommt nichts. Keine Ideen, keine neuen Impulse, keine Bereitschaft, mal etwas Neues auszuprobieren. Kein Wunder, denn all die Verbote und Gebote verschränken die klare Sicht.
Ich kann diese geistige Verschränkung manchmal mit ganz konkreten Beispielen lösen. Probiert das mal aus: Stellt euch vor, ihr geht in den Baumarkt, weil ihr 80 Pfosten für euren Gartenzaun braucht. Wenn ihr 100 Pfosten nehmt, ist das ganze Zubehör dabei, das ihr noch separat kaufen müsstet. Mit dem Angebot spart ihr 200 Euro – aber ihr bekommt mehr Pfosten, als ihr braucht.
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich würde das Angebot nehmen. Die übrigen Pfosten verkaufe ich bei Ebay oder ich frage meine Freunde, ob sie welche brauchen. Auch in den Unternehmen stelle ich fest: Die Menschen, mit denen ich spreche, können in solchen Situationen für sich ganz vernünftig den besten Deal aushandeln.
Schön vernünftig
Warum versperren dann Unternehmen ihren Mitarbeitern so die Sicht auf die Vernunft? Dahinter steckt, glaube ich, mangelndes Vertrauen in die Mitarbeiter. Und das in der Regel ohne zwingenden Grund.
Mike hat mir letztens Analysen zu Reisekosten gezeigt: Viele Unternehmen geben ihren Mitarbeiten ja sehr enge Richtlinien: So eine Art Hotel könnt ihr nehmen, nehmt bloß den Zug, etc. Die Analysen zeigen aber, dass Mitarbeiter, denen es selbst überlassen ist, wie sie ihre Reise gestalten, nicht mehr Geld ausgeben. Die denken nämlich sehr wohl ans Unternehmen. Die überlegen sich dann zum Beispiel, dass sie lieber einen späten Zug zurück nehmen, weil sie so das Hotel sparen.
Und nun könnt ihr euch vorstellen, welche Mitarbeiter offener, flexibler und die besseren Problemlöser sind: die, denen jeder Schritt vorgegeben wird, die immerzu das Gefühl haben, dass ihnen nicht vertraut wird? Oder die, die selbst entscheiden dürfen?
Eure Anke