Da nehmen ehemalige Mitarbeiter Urlaub, um im alten Betrieb zu arbeiten. Das klingt doch im ersten Moment irgendwie abstrus? Aber genau dieser Aspekt zeigt mir deutlich, dass dieses Unternehmen – die JOHANN MÜLLER GMBH & CO KG SPEDITION aus Mühlheim an der Mosel – einiges richtig gemacht hat …
Diese Inspirationen und unsere Erkenntnisse aus dem spannenden Gespräch möchte ich euch nicht vorenthalten. Weil sie zeigen, dass es sich bei den aktuellen Herausforderungen umso mehr lohnt, auch mal um die Ecke zu denken, kreativ zu werden. Und: die Unternehmenskultur nicht zu unterschätzen ist …
Herausforderungen kreativ meistern
„In unserer Hauptsaison, da helfen unsere ehemaligen Fahrer gerne aus!“ erzählt mir die Geschäftsführerin Nadja Geiter bei meinem Besuch an ihrem Unternehmensstandort an der Mosel. Das Unternehmen fährt hauptsächlich Wein aus. Gerade durch den regionalen Bezug ist es wichtig, dass sich die Fahrer und Geschäftspartner verstehen. Deswegen setzt das Unternehmen ausschließlich deutschsprachige Fahrer ein.
Das verringert den Druck des allgegenwärtigen Fachkräftemangels natürlich nicht gerade. Auch aus Gesprächen mit anderen Logistik-Unternehmen wissen wir: Fahrer werden überall händeringend gesucht!
Die erste Schlussfolgerung wäre also vielleicht, jeden Fahrer zu nehmen, der sich meldet. Diese Firma hingegen schränkt sich mit ihrem Anspruch ein. Gleichzeitig erspart sie sich auch viele nachfolgende Probleme aufgrund von Sprachbarrieren, Verständnisschwierigkeiten, Missverständnissen.
Um sich ein solches Team aufbauen zu können, ist natürlich viel Kreativität gefragt. An welchem Markt bediene ich mich? Wie sorge ich für genügend qualifizierte Fachkräfte, in einem stark umkämpften Arbeitsmarkt? Wie halte ich meine Mitarbeiter?
Probleme zusammen begegnen
Das Pfund dieses Unternehmens habe ich schnell entdeckt. Es ist der Zusammenhalt.
Natürlich, warum sonst sollten sich ehemalige Mitarbeiter, die aufgrund privater Situationen beispielsweise den Wohnort oder die Branche gewechselt haben, extra Urlaub nehmen, um ihrem alten Arbeitgeber auszuhelfen? – Weil sie sich wohlfühlen in diesem Unternehmen. Weil die Zusammenarbeit, das Miteinander Spaß machen. Weil die Geschäftsführung diese flexiblen Modelle ermöglicht, sogar gutheißt. Weil die Geschäftsführerin sogar selbst hinter dem Steuer sitzt und den Wein von Abfüllanlagen zu Weingütern befördert. Sie ist selbst eine Fahrerin. Diese Kultur ist nichts, was sich von heute auf morgen durchboxen lässt. Es ist eine familiäre Situation, die sich aus dem Miteinander heraus erschafft.
Kreativ und flexibel agiert die Spedition auch bei der zweiten Herausforderung, die ihr als Unternehmer, ganz gleich aus welcher Branche, sicherlich auch kennt: der finanzielle Druck. Gerade die Logistik gerät durch Amazon & Co. in die Bredouille. Einerseits müssen die Lieferungen immer günstiger sein, andererseits schwanken die Dieselpreise enorm. Wie gelingt ein vernünftiges Preismodell, um in Deutschland als Unternehmen zu überleben? Um mit den Fahrten im Endeffekt nicht ins Minus zu geraten?
Diese Spedition, von der ich eben schon berichtet habe, hat ein pfiffiges Preismodell entwickelt, indem sie die Dieselpreise in den Kundenverträgen variabel gestaltet – abhängig vom aktuellen Marktpreis. So sind die Schwankungen nicht mehr ausschlaggebend für die Umsätze der Spedition.
Auch kein Tankfahrzeug leer fahren zu lassen, zählt zu einer strategischen Ausrichtung, die enorme Kosten spart und zur Effizienz des gesamten Lieferungsprozesses beiträgt …
All diese kleinen Stellschrauben sorgen dafür, dass diese Spedition weiterhin bestehen kann. Deswegen ist unsere Erkenntnis aus diesem Besuch: Je größer die Herausforderung, desto mehr Kreativität ist gefragt. Und dann passiert es fast automatisch: Die Herausforderungen von außen werden mit der inneren Stärke des Unternehmens bewältigt.
Euer Mike