An diesem Morgen herrschte an dem Wasserloch ein Betrieb wie in London zur Rush Hour, das wir von der Terrasse unseres Domizils in Südafrika beobachten konnten. Verschiedene Antilopenarten. Zebras. Gnus. Ein imposanter Warzenschwein-Eber (vielleicht der Papa, der Familie, die Anke an einem anderen Tag gesehen hatte. Eine Menge unterschiedlicher Vögel, welche Insekten von den Säugetieren pickten. Die Geräuschkulisse war dementsprechend „betriebsam“. Doch plötzlich wurde es still. Die Vögel waren verstummt. Die Stimmung schlug in angespannte Erwartung um. Alle Tiere sahen in die Richtung, aus der nun eine ausgewachsene Löwin kam, um zu trinken.
Und wie sie es tat, das halte ich noch heute für ein schönes Beispiel dafür, was ihr bei euch im Unternehmen besser lassen solltet, wenn ihr daran geht, eure Prozesse zu verbessern …
Über den Durst trinken – Prozesse nicht im Griff …
Die Löwin beanspruchte die Ressource Trinkwasser für sich. Alle Beutetiere hielten gesunden Abstand ein. Kein anderes Tier machte ihr also das Wasser streitig. Und dennoch: Die Löwin soff das Wasser und soff, sie schien schier überhaupt nicht mehr aufhören zu wollen. Und dann passierte, was bei Säugetieren passiert, wenn sie zu viel trinken: was zu viel ist, kommt schwallartig wieder ans Tageslicht. „Dieses Bild – und das Geräusch, vor allem das Geräusch – werd ich nie, niemals vergessen!“, schüttelt sich Anke noch heute bei der Erinnerung.
Die Löwin war ein erwachsenes Tier, das schon zweimal geboren hatte, wie uns die Ranger erzählten, die aufgrund eines wissenschaftlichen Programms über die Population sehr genau Bescheid wussten. Sie war kein unerfahrenes Jungtier, dass vielleicht noch nicht einschätzen kann, wann zu viel zu viel ist. Sie wird gewusst haben, wann eine Grenze erreicht ist. Und dennoch hat sie weitergetrunken, sie hatte den Prozess wider besseres Wissen nicht im Griff – und hier sehe ich eben den Punkt, der euch daran erinnern kann, das bei euch im Unternehmen nicht zu tun.
Übertreibt es nicht! Prozesse optimieren …
In Unternehmen, das stellen wir auf unseren Impeditionen häufiger fest, wird es mit der Optimierung von Prozessen oft übertrieben: Oft werden die Prozesse nach dem Motto „Viel hilft viel“ angepackt. Ein mittlerweile klassisches Beispiel für das, was ich meine, ist die Einführung von Agilität, von agilen Prozessen, in einem Unternehmen. Haben sich die Entscheider dazu durchgerungen, gerne auch befeuert durch externe Berater, dann wird aber auch in die Vollen gegangen. Dann wird viel Geld und Manpower, Ressourcen in die Hand genommen, um die Agilität möglichst schnell und umfassend im ganzen Unternehmen einzuführen – ins Unternehmen reinzupressen, möchte ich sagen. Ein Schluck geht noch …
Dabei wäre es viel gesünder, solche Prozesse langsamer anzugehen. Solche Prozesse in einem kleineren Rahmen erst einmal dosiert umsetzen, genauer zu schauen, wo es diese Optimierung überhaupt braucht und mit welchen Methoden diese angegangen werden können.
Viel hilft eben nicht viel. Manchmal sind es eben eher die kleinen Impulse, die die Prozesse runder laufen lassen. Manchmal sind es kleine Stellschrauben, an denen zu drehen Geld spart und die Nerven der Mitarbeiter nicht überstrapaziert und eben effektive Ergebnisse zeigt.
Ergebnisse, bei denen kein Katzenjammer folgt, weil ihr es mit der Optimierung übertrieben habt.
Euer Mike