Anke und ich haben uns vor ein paar Jahren selbstständig gemacht – es passte einfach am besten zu unserem Arbeitsstil. Und unserem Lebensstil, denn wir sind gerne viel unterwegs. Wir wollen frei bestimmen, was wir wann machen. Das ist uns angemessen – und gleichzeitig für unsere Kunden sehr effektiv. Auch wenn gerade viele Führungskräfte das erst lernen müssen …
Verkrustet ist nicht effektiv
Denn ich erkenne in Unternehmen immer wieder, dass sich viele Mitarbeiter mehr Freiheiten wünschen. Aber bei diesem Wunsch bleibt es häufig: Jetzt, wo seit Monaten viele im Homeoffice arbeiten – arbeiten müssen, zeigen Unternehmen ihre verkrusteten Strukturen. Denn so gut die Arbeit remote auch geschieht: Die meisten Führungskräfte wünschen sich die Mitarbeiter zurück in die Unternehmen und reden von einer „baldigen Rückkehr in die Normalität“. Und so entsteht ein Spagat.
Effektiv versus bequem
Wie diese Normalität aussieht, die alten Regeln, die als gegeben gelten, ist jetzt, wo manches „Normale“ nicht mehr funktioniert, viel besser zu erkennen: Wie unpraktisch sind beispielsweise die alten Weihnachtsgeld- und Bonusvergaben? Da war bisher bei vielen Unternehmen ausschlaggebend, wie viele Überstunden jemand hatte. Das bedeutet nämlich, so die gängige Denke, dass die Person besonders fleißig sei.
Das hat mit Effektivität aber wenig zu tun. Stattdessen steckt dahinter eine große Bequemlichkeit: Die Zeiterfassung übernimmt die Arbeit, sich mit den Menschen und deren Leistung im Unternehmen auseinanderzusetzen. Zu schauen, ob ein Mitarbeiter seine Arbeit erledigt (und gut erledigt) hat, ist mühsam. Und so erklärt sich auch der Unwillen vieler Führungskräfte, den Mitarbeitern mehr Flexibilität zu ermöglichen.
Da fehlt etwas
Denn: Kontrolle steht in der Hierarchie über Vertrauen. Kein Wunder, dass sich die Führungskräfte die Mitarbeiter zurückwünschen – remote ist diese Kontrolle viel schlechter möglich.
Eine größere Flexibilität ist aber für alle von Vorteil: Mitarbeiter, die Kinder haben oder gerne auf Reisen gehen, können ihren Job besser mit ihrem Leben verknüpfen. Auch aus Arbeitgebersicht ist Flexibilität von Vorteil. Das sehen nur viele Unternehmen noch nicht: Eure Mitarbeiter sind zufriedener (das kann nicht schlecht sein) und ihr braucht weniger Büroräumlichkeiten. Home-Office ist zwar auch nicht die alleinige Lösung, schon gar nicht, wenn es nur um das Einsparen der Büromiete ginge. Ein regelmäßiger – auch persönlicher – Austausch und die Flexibilität sind entscheidend. Nicht die Kontrolle über die Mitarbeiter.
Mit Sicherheit
Als wir uns selbstständig gemacht haben, haben viele gefragt, ob das schlau sei. Schließlich hatten wir sichere, gute Jobs. Für uns war das kein Argument, denn jede Sicherheit, die Menschen und Unternehmen zu sehen glauben, ist doch nur vermeintlich. Ich glaube, viele Unternehmer fallen momentan in diese Falle: Die Krise macht Angst, also wünschen sie sich zurück in die angeblich sichere Zeit davor. So schaffen sie es aber nicht, für neue Gegebenheiten offen zu bleiben. Und ohne diese Offenheit verpassen die Entscheider in den Unternehmen viele Chancen, ihr Unternehmen besser aufzustellen.
Ich analysiere gerne: Was braucht es wirklich? Das frage ich, wenn Anke und ich eine neue Expedition planen – was brauchen wir, um klarzukommen? Worauf können wir verzichten? Diese Analyse brauchen ganz offensichtlich auch viele Unternehmen.
Mike